Hüftdysplasie
Ein Bericht von Dr. med. vet. Petra Sindern -> http://www.tierarzt-neuwulmstorf.de.vu

Was ist das?
Unter Hüftgelenksdysplasie oder "HD" versteht man eine Fehlbildung eines oder beider Hüftgelenke. Ein normales Hüftgelenk ist zweiteilig und besteht aus einer sogenannten "Pfanne" am Beckenknochen und dem Kopf des Oberschenkels der von der Pfanne umschlossen wird. Für den reibungslosen Lauf des Gelenkes sorgt die Gelenksflüssigkeit, die sich in einer Schutzhülle um das gesamte Gelenk, der "Gelenkkapsel", befindet. Bei einer Fehlbildung, einer "Dysplasie", passen nun die Pfanne und der Kopf nicht richtig zusammen. Oft ist die Pfanne zu flach, so dass der Kopf aus der Pfanne herausrutschen und an den Gelenk-Enden scheuern kann. Manchmal ist aber auch der Kopf des Oberschenkels so missgebildet, dass er seinerseits in der eigentlich normalen Pfanne scheuert. Der Körper reagiert auf so einen "Scheuervorgang" an Knochen und Gelenkknorpel immer gleich: zunächst wird zur Reparatur weiterer Knorpel, später dann Knochen gebildet. Leider behindert dieses Reparaturgewebe, das man auch "Arthrose" nennt, das Gelenk dann in seiner Funktion und damit in seinem normalen Lauf.  

Wie stellt man "HD" fest ? 
Die Krankheitsanzeichen variieren je nach Schwere der Missbildung. Junge Hunde, deren Becken zu flache Hüftpfannen haben, fallen auch dem ungeschulten Beobachter frühzeitig durch den wackeligen, schaukelnden Gang der Hinterhand auf. Manchmal kann man sogar sehen, wie der Oberschenkelkopf sich beim Laufen aus der Pfanne ausrenkt. Alle nicht ganz so gravierenden Missbildungen kann man nur durch eine Röntgenaufnahme entlarven. Bei einer solchen Untersuchung wird das Tier in Rückenlage verbracht und seine Beine werden nach hinten langgezogen und nach innen gedreht. Da auch ein hüftgesunder Hund sich das Langziehen nicht ohne Gegenwehr gefallen lässt, ist (fast) immer eine Kurzzeitnarkose nötig. Bestimmte Rassehundverbände (wie z.B. Labrador, Rottweiler, Boxer, Schäferhund oder Dogge) schreiben eine Röntgenuntersuchung der Hüften zwingend vor, wenn das Tier zur Zucht eingesetzt werden soll. 

Bekommen nur Rassehunde "HD" ? 
Leider nicht! Zwar ist der Anteil der Rassehunde an den Hüftkranken besonders hoch, aber auch Mischlingshunde, vor allem die großwüchsigen, vererben die Krankheit weiter, denn sie ist versteckt im Erbgut vieler Hunde verankert. Deshalb sollten auch Mischlinge (weibliche wie männliche!) vor einem möglichen Zuchteinsatz geröngt werden. Übrigens bekommen auch Katzen gelegentlich Probleme mit HD, allerdings lange nicht so häufig wie Hunde. 
Ein weiterer wichtiger Risikofaktor für HD ist, neben der Vererblichkeit, jede Art von Übergewicht. Gerade junge Hunde sollten IMMER möglichst schlank und leicht sein, so drückt ihr Gewicht nicht auf die wachsenden Gelenke! Außerdem sollte das Welpenfutter auf keinen Fall wahllos mit Vitaminpulvern oder -tabletten oder gar mit "Futterkalk" angereichert werden. Warum? Für eine gesunde Knochenetwicklung ist ein genau berechnetes und einzuhaltendes Verhältnis von bestimmten Mineralien, in erster Linie Kalzium und Fosfor, elementar wichtig. Dieses wird durch eine gutgemeinte Leckerli - Vitamin - Mineraltablette oder das "Super - Sonder - Wunder - Spezial - Pulver" aus der Futtermittelhandlung aber verändert. Ein schwerer Ernährungsfehler, der unter Umständen die Gesundheit Ihres Hundes gefährdet! Falls Sie unsicher sind, ob Ihr Hundefutter richtig zusammengesetzt ist - fragen Sie doch mal diejenigen, die das Fach "Tierernährung" studiert haben, Ihre Tierärztin oder Ihren Tierarzt! 

Ist "HD" schmerzhaft ? 
Wenn Knochen auf Knochen scheuert, wird die empfindliche Knochenhaut gereizt. Jeder, der mal einen Schlag vor‘s Schienbein bekommen hat, weiß, wie weh so etwas tut. Hunde mit HD erleiden diese Schmerzen als Dauerzustand. Da sie aber "härter im Nehmen" sind als wir, merkt man nur an sehr geringen Verhaltensänderungen, dass Ihr Tier Schmerzen hat:
 
  • Steht es langsamer auf als sonst? 
  • Legt oder setzt es sich während des Spaziergangs öfter als früher hin? 
  • Weicht es Ihnen aus, wenn Sie es im Hüftbereich streicheln oder bürsten wollen? 
  • Knurrt Ihr Hund Sie vermehrt ohne für Sie ersichtlichen Grund an? 
Dies alles können Anzeichen für Schmerz sein, das Tier sollte unbedingt untersucht werden. 

Was kann man tun, wenn ein Hund "HD" hat? 
Einen Hund mit HD darf man NICHT gleich einschläfern, denn es gibt fast immer wirksame Möglichkeiten, ihm zu helfen. Wichtig für die Wahl der richtigen Therapie ist der Zeitpunkt, zu dem die Krankheit diagnostiziert wurde. Bei jungen Hunden (6-16 Monate alt) mit nicht so schweren Fehlbildungen reicht oft eine Bewegungstherapie, verbunden mit einer Fütterungsumstellung und der Verabreichung bestimmter Muschelpräparate aus, um schwerere Schäden zu vermeiden oder zu vermindern (siehe hierzu auch bei Arthrosen). 

Im Frühstadium der mittleren bis schweren HD gibt es, wenn noch keine Arthrosen vorliegen, eine sehr wirksame Operationsmethode. Hierbei wird ein Keil aus dem Oberschenkel herausgesägt, so dass dann der Oberschenkelkopf wieder in die Pfanne paßt. Diese "ITO" Operation (nicht verwechseln mit einer künstlichen Hüfte!) führen in Deutschland nur zwei Tierkliniken durch, die Kliniken der Universitäten beherrschen diese schon vor über 10 Jahren in USA erfundene Technik leider immer noch nicht.  

Bei älteren Hunden, an deren Hüften sich schon Arthrosen gebildet haben, ist zunächst die Schmerztherapie das Wichtigste. Die zusätzliche Gabe von Muschelpräparaten wirkt neben der Schmerzstillung auch gelenksstabilisierend.  

Bis vor einigen Jahren hat man einigen Hunden mit schwerer HD lediglich einen kleinen Muskel im Innenschenkel durchgeschnitten, um eine Schmerzstillung zu erreichen. Diese zwar billige, aber in fast allen Fällen nutzlose Operation bringt, wenn überhaupt, nur Erfolg für einige Wochen bis Monate und wird daher von verantwortungsbewussten Tierärzten strikt abgelehnt.  

Mehr Erfolg verspricht die selbe Operation in Kombination mit der sogenannten "Denervation" (s.u.), die als neue Technik (die so genannate "Pectineus - Neurektomie") gerade Erprobung findet. Nach Durchtrennung des verkrampften Muskels wird durch die Schmerzausschaltung (Nervenschnitt) ein lebenswertes Altwerden ermöglicht. Langzeitstudien über diese Methode liegen aber noch nicht vor.  

Ist die Arthrose der Hüften so schlimm, dass auch starke Schmerzmittel keine Wirkung mehr haben, braucht der Hundepatient eine neue, künstliche, Hüfte, die Hüftgeleks - Endoprothese. Sie besteht aus einer Pfanne aus Kunststoff, die in das Becken eingesetzt wird, und einem neuen Oberschenkelkopf nebst Hals aus Metall. Der alte, unbrauchbare Kopf wird abgesägt, der Oberschenkel aufgebohrt und der Metallschaft eingesetzt. Nach der Operation könnte der Hund zwar sofort wieder ohne Schmerzen laufen, die neue Hüfte muss aber erst in den Knochen einheilen. Deshalb ist ein Klinikaufenthalt mit strikter Käfigruhe von mindestens einer Woche unumgänglich. Eine Hüftimplantation ist mittlerweile Standard in vielen Tierkliniken und wird auch in allen Hochschulen mit sehr gutem Erfolg durchgeführt  

Seit Kurzem gibt es zwei weitere, neue, Therapieansätze. Der eine stammt aus der mehr ganzheitlichen, von der traditionellen chinesischen Medizin beeinflussten Tiermedizin: An den tiefen Akupunkturpunkten des betroffenen Gelenkes werden kleine Goldstückchen eingesetzt, die dann im Röntgenbild wie ein Sternenkranz aussehen. Einige Hunde laufen nach dieser "Goldakupunktur" wieder absolut schmerzfrei. 

Die zweite neue Methode heisst "Denervation". Hierbei wird die arthrotische Hüftpfanne einfach mitsamt ihrer Kapsel so weit ausgefräst, dass auch alle Nerven (die ja die Schmerzempfindung ausmachen) mit zerstört werden. Auch aussen am Gelenk werden alle Nerven gekappt. Das Tier hat nach der Operation immer noch schwere Arthrosen, das Gelenk funktioniert nach wie vor nicht richtig, aber es hat keine Schmerzen mehr. 

Noch ein Wort zum Schluss: Jeder Hund (männlich wie weiblich) von zweifelhafter Hüftgesundheit sollte, wegen der Vererbbarkeit der Krankheit, unbedingt an der Vermehrung gehindert werden.  

Fazit:
Hüftgelenksdysplasie wird vererbt. Sie tritt hauptsächlich bei großwüchsigen Hunderassen und deren Mischlingen auf. Die wichtigste Vorbeugung ist eine genau berechnete Ernährung, lassen Sie sich in Ihrer Tierarztpraxis beraten. Je früher sie erkannt wird, desto besser kann man gegensteuern, deshalb sollten große Hunde im Alter von einem Jahr geröntgt werden. Einen Hund mit "HD" darf man nicht einschläfern, denn es gibt wirksame Operations- und Behandlungsmethoden 
Ein Erfahrungsbericht hierzu von Daniela
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