Bei der Eklampsie handelt es sich um eine peri- oder postpartale bzw. mit der Laktation in Verbindung stehende Reduzierung des Blutcalciumspiegels. Davon sind in erster Linie Hündinnen kleinwüchsiger Rassen mit großen Würfen betroffen, bei denen ein erhöhter Muskeltonus sowie tonisch-klonische Krämpfe in Erscheinung treten können. Diese akute regulatorische Stoffwechselstörung manifestiert sich in der Regel 2 bis 3 Wochen nach der Geburt.
Das Krankheitsbild
Die aus der Humanmedizin aufgrund anfänglich vermuteter Ähnlichkeiten mit der echten Eklampsie der schwangeren Frau abgeleitete Bezeichnung trifft jedoch für das Krankheitsbild bei der Hündin nicht zu (WOLLRAB, 1993). Beim Hund werden vorwiegend tetanieähnliche Symptome ohne nennenswerte Bewußtseinstrübung beobachtet. Die Tiere zeigen eine Hypokalzämie mit Ca-Plasmakonzentrationen <1,7 mmol/l. In ihrer Studie mit 31 an Eklampsie erkrankten Hündinnen zeigten DROBATZ und CASEY (2000), daß hauptsächlich kleinwüchsige Rassen (Pudel, Pekinesen, Terrier, Teckel, etc.) betroffen sind. Sowohl bei reinrassigen Tieren als auch bei Mischlingen wird die puerperale Tetanie beobachtet. Dabei scheinen Hündinnen mit ausgeprägter Laktationsleistung, vielen kräftig säugenden, sich rasch entwickelnden Welpen besonders prädisponiert zu sein. Nach den Angaben in der Literatur entwickelt sich eine Eklampsie 2 bis 5 Wochen nach der Geburt, selten früher und nur ausnahmsweise um den Wurfzeitpunkt herum (BERCHTOLD, 1993). Im Patientengut von DROBATZ und CASEY (2000) manifestierte sich diese Stoffwechselstörung durchschnittlich 14 Tage nach dem Werfen (0 bis 42 Tage), bei einem Tier 7 Tage vor der Geburt. Entstehungsmechanismen und Pathogenese der Eklampsie sind noch nicht hinreichend geklärt. Wie WOLLRAB (1993) hervorhebt, kommt es bei der durch die vegetative Umstellung von der Trächtigkeit auf die Laktation adaptationslabilen Hündin zu einem plötzlichen funktionellen Versagen der neuroendokrinen Regulationsmechanismen. Demzufolge können der hohe Calciumverlust im letzten Trächtigkeitsdrittel und die forcierte Calciumabgabe mit der Kolostralmilch vorübergehend nicht mehr kompensiert werden. In der Folge des reduzierten Serumcalciumspiegels treten eklamptoide Anfälle auf. Das klinische Bild der puerperalen Tetanie ist zunächst durch Nervosität, Ängstlichkeit, verstörten Gesichtsausdruck, gelegentlich Hecheln, frequente Atmung und Muskelzittern charakterisiert. Wenig später stellt sich ein unsicherer Gang ein und die Extremitäten werden steif. Nach dem Einsetzen tonisch-klonischer Krämpfe, vermögen die Tiere nicht mehr alleine zu stehen. Sie fallen um und können sich nicht mehr erheben. Nacken und Gliedmaßen sind maximal gestreckt. Nicht selten werden auch Krämpfe der Kaumuskulatur, vermehrtes Speicheln sowie eine erhöhte Körpertemperatur (>41°C) beobachtet. Die Hypokalzämie kann neben den neuromuskulären Störungen u.U. auch kardiovaskuläre Begleiterscheinungen auslösen. Im EKG kann das Q-T Intervall verlängert sein. Während eines Anfalls tritt Hecheln und erhöhter Herschlag auf. Zwischen den Krampfanfällen beruhigen sich die Tiere scheinbar, wobei aber die Muskulatur spastisch kontrahiert bleibt. In verschieden langen Intervallen wiederholen sich die tonisch-klonischen Krämpfe oft stundenlang und führen zur raschen Erschöpfung. Das Bewusstsein bleibt weitgehend erhalten. Zur Wiederherstellung des physiologischen Calciumhaushaltes sind Calciuminfusionen erforderlich. Da es hierbei u.U. zu einem akuten Herz-Kreislaufversagen kommen kann ist dazu unbedingt ein Tierarzt zu konsultieren, der die notwendigen Behandlungsmaßnahmen unter EKG-Kontrolle einleitet. Auch ist zunächst das Absetzen der Welpen für mindestens 24 Stunden zu empfehlen. Dies muß jedoch individuell durch den Veterinär festgelegt werden. Manchmal kann sich die Erkrankung in nachfolgenden Laktationsperioden wiederholen. Die Tetanieanfälligkeit nimmt jedoch erfahrungsgemäß mit zunehmendem Alter bis etwa zum 6. Lebensjahr ab. Das Krankheitsbild ist bei Einfrüchtigkeit unbekannt und bei über 6jährigen Hündinnen extrem selten. Eklampsien bereits vor der Geburt sind ungünstiger einzuschätzen, da eine erhöhte Kollapsgefahr besteht. Entscheidend ist in derartigen Fällen, die Geburt zügig, ggf. durch Schnittentbindung, zu beenden (WHEELER, MAGNE und KAUFMANN, 1984; WOLLRAB, 1993). Eklampsien nach der Geburt sind bei frühzeitiger und gezielter Therapie prognostisch günstig zu beurteilen. Eine sichere Prophylaxe der puerperalen Hypokalzämie ist nicht bekannt. Zur Vorbeugung können Calciumsalze und Vitamin D3 beitragen, die ab der frühen Trächtigkeitsphase bis zum Absetzen der Welpen kontinuierlich zugefüttert werden müssen.
Literatur
- ARNOLD, S. (1994): Puerperale Tetanie. In: SUTER, P.F. (Hrsg.): Praktikum der Hundeklinik. 8. Aufl., Blackwell, Berlin, 651.
- BERCHTOLD, M. (1993): Puerperale Tetanie. In: FREUDIGER, U., E.-G. GRÜNBAUM, und E. SCHIMKE (Hrsg.): Klinik der Hundekrankheiten. 2. Aufl., Fischer, Stuttgart, 659.
- DROBATZ, K.J., und K.K. CASEY (2000): Eclampsia in dogs: 31 cases (1995-1998). J. of the Am. Vet. Med. Association 217: 216-219.
- WHEELER, S.L., M.L. MAGNE, und J. KAUFMANN (1984): Postpartum disorders in the bitch. Compend. Contin. Educ. Pract. Vet. 6: 493-504.
- WOLLRAB, J. (1993): Eklampsie (puerperale Tetanie). In: BUSCH, W., und J. SCHULZ (Hrsg.): Geburtshilfe bei Haustieren. Fischer, Jena, Stuttgart, 617-620.